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von Dr. M. Hartmann und
der Hautklink der Universität Heidelberg

HIV-Leitfaden - HIV-assoziierte Krankheitsbilder - Viszerale Leishmaniose

Viszerale Leishmaniose

Hartwig Klinker

Infektionen mit Protozoen der Gattung Leishmania werden als Leishmaniosen bezeichnet. Die Erreger werden zwischen Tier und Mensch oder Mensch und Mensch durch Phlebotomen (Schmetterlingsmücken, sandflies) übertragen.
Je nach Leishmanienspezies und der Immunantwort und -kompetenz des Wirtes führt die Infektion zu völlig asymptomatischen Verläufen, lokalen kutanen bzw. mukokutanen oder zu disseminierten viszeralen Manifestationen insbesondere makrophagenreicher Organe wie Knochenmark, Leber, Milz und Lymphknoten.

Epidemiologie

Endemiegebiete für Leishmaniosen sind mit Ausnahme von Australien alle Kontinente mit warmen Klimazonen, Erkrankungen kommen in über 80 Ländern vor.
Die wichtigsten Endemiegebiete der viszeralen Leishmaniose (Kala-Azar) umfassen den gesamten europäischen und afrikanischen Mittelmeerraum, Südwestasien, Ostafrika und Indien. Die jährliche Inzidenz der viszeralen Leishmaniose wird auf ca. 500.000 Fälle geschätzt.

Typischerweise trat die viszerale Leishmaniose in den Endemiegebieten früher im Kindesalter auf. In den letzten Jahren hat sich die Erkrankung zunehmend in das Erwachsenenalter verlagert, insbesondere in den Gegenden, in denen auch die HIV-Infektion endemisch ist. Es ist davon auszugehen, dass in Südeuropa weit mehr als die Hälfte der viszeralen Leishmaniosen bei HIV-Infizierten auftreten und bis zu 10% aller AIDS-Fälle hier mit einer viszeralen Leishmaniose einhergehen.
Viszerale Leishmaniosen bei HIV-Infizierten werden daher zu den HIV-assoziierten, opportunistischen Erkrankungen gezählt, wenngleich sie nicht in der gültigen CDC-Klassifikation aufgeführt sind.

Krankheitsbild

Eine manifeste Erkrankung tritt in Abhängigkeit von der Immunitätslage (speziell der zellulären Immunität) bei ca. 10% der Infizierten auf. Die Inkubationszeit ist sehr variabel, meistens liegt sie zwischen 3 und 6 Monaten.
Leitsymptome der viszeralen Leishmaniose sind vor allem initial hohes, unregelmäßiges Fieber, eine zunehmende, z. T. erhebliche Ausmaße annehmende Hepatosplenomegalie, eine progrediente und ebenfalls ausgeprägte Panzytopenie (Hb-Werte von 4-6 g/dl, Leukozyten zwischen 700 und 1.500/µl, Thrombozyten < 40.000/µl sind keine Seltenheit) sowie eine auffällige Dysproteinämie mit Verminderung des Albumins und intensiver Hypergammglobulinämie (IgG).
Unbehandelt kommt es im Verlaufe von Monaten zu Kachexie, Muskelatrophie, ausgeprägter Bauchumfangsvergrößerung, Sekundärinfektionen und Blutungskomplikationen. Bei HIV-Infizierten ist das klinische Bild oft atypisch. So verwundert es nicht, dass in vielen Fällen die Diagnose erst sehr spät gestellt wird.

Diagnostik

Zur Verfügung stehen serologische Untersuchungen mittels Immunfluoreszenztest (IFT), direktem Agglutinationstest (DAT) oder verschiedenen ELISA-Verfahren. Eine negative Serologie schließt allerdings, insbesondere bei Immunsuppression, eine viszerale Leishmaniose nicht aus. Angestrebt werden sollte zur Diagnosesicherung in jedem Fall ein direkter Erregernachweis. Dieser kann am ehesten aus einem Knochenmark-Aspirat, aber auch anderweitigem Biopsiematerial, erfolgen. Die Sensitivität gefärbter Ausstriche liegt bei ca. 70-80%, die von Kulturen bei 80-90%. Als empfindlichste Methode gilt die PCR. Bei Patienten mit Immunsuppression/fortgeschrittener HIV-Infektion können Parasiten auch im EDTA-Blut nachgewiesen werden.

Therapie

Sehr wirksam ist eine Therapie mit liposomalem Amphotericin B, die allerdings parenteral und über einen Zeitraum von 10-20 Tagen erfolgen muss und sehr kostenintensiv ist. Alternativ kann als orales Medikament Miltefosin, mit dem in Studien in Indien hohe Heilungsraten erzielt wurden, eingesetzt werden.
Zur Verfügung stehen darüber hinaus die 5-wertigen Antimonpräparate Natriumstiboglukonat und Megluminantimonat, die früher als Standardtherapie galten. Hier ist besonders die erhebliche Toxizität mit der Notwendigkeit von Blutbild-, Lipase- und EKG-Kontrollen zu beachten.

Bei Patienten mit Immunsuppression bei fortgeschrittener HIV-Infektion ist die Prognose trotz Therapie schlecht. Hier ist eine Erregerelimination maximal unwahrscheinlich, es treten häufig klinische Rezidive auf, die durchschnittliche Überlebenszeit der Patienten liegt bei ca. einem Jahr.

Literatur:
Alvar J., Aparicio P., Aseffa A. Et al.. The relationship between leishmaniasis and AIDS: the second 10 years. Clin Microbiol rev 2008; 21: 334-359
Ezra N., Ochoa M. T., Craft N. Human immunodeficiency virus and leishmaniasis. J Glob Infect Dis 2010; 2: 248-257